Ausgelaugt und dehydriert, aber glücklich. Mit knappem 1:0- Auswärtssieg schnappte sich Union in Kamenz den ersten Dreier des Jahres 2018. (FOTO: Holger Bär)
Das gab es bei Union Sandersdorf wohl lange nicht. Im späten April fuhr der Oberligist den ersten Pflichtspielsieg des Kalenderjahres ein. Nach allem zuvor gebotenen war der Druck groß und der nun beim SV Einheit Kamenz erzielte 1:0- Auswärtssieg immens wichtig. Winter- Neuzugang Mathis Böhler- er kam vom Ligakonkurrenten SV Merseburg 99- traf im Kamenzer Stadion der Jugend per Traumtor zur Entscheidung des Tages (63.). „Ihm würde ein Tor mal richtig gut tun“, fachsimpelten Richard Wießner und die Wechselspieler Sekunden zuvor beim Warmlaufen hinter dem eigenen Tor. Als hätte Böhler es gehört. Nach einem Einwurf auf den Sandersdorfer Stürmer zog dieser parallel zur Strafraumlinie immer weiter ins Zentrum. Alle Sandersdorfer dachten bereits: „Na warum zieht der nicht ab“? Dann aber tat Böhler es, und wie. Per linkem Innenspann traf der gebürtige Unterfranke aus zwanzig Metern in den linken Torwinkel. Es sollte spielentscheidend sein.
Wießner selbst hingegen zeigte zuvor bei Anreise im Bus, wie mannschaftsdienlich er ist. „Trainer, ich fühle mich noch nicht fit, um bei diesen Temperaturen von Beginn an Gas zu geben“, verwies er auf seinen kapitalen Magen/Darm- Aussetzer unter der Woche. Mike Sadlo disponierte kurzfristig um. Und auf Felix Kaltofen ist zentral defensiv bekanntlich Verlass.
Im Kellerduell der Liga präsentierten sich beide Parteien dann auch wie Kellerkinder und lieferten eine reichlich unspektakuläre erste Spielhälfte. Zuerst zuckten die etwa zehn über 200 Kilometer nachgereisten Sandersdorfer Fans zusammen, als Innenverteidiger Carl- Christoph Labisch nach Eckstoß völlig frei für den Gastgeber am zweiten Pfosten verfehlte (9.). Tim Hoffmann straff vorbei am Torwinkel (11.) und Timo Breitkopf flach noch knapper vorbei am Pfosten (16.) lauteten Sandersdorfs Antworten. Ansonsten sah man ein Spiel mit beiderseits wenig Struktur, langen Diagonalbällen und reichlich Ideenlosigkeit. "Hinten nichts anbrennen lassen“ stand über „vorne etwas riskieren“. Dabei wurde es nochmals eng für Union, denn Alexander Schidun hätte den zu weit vorn postierten Unionkeeper Nico Becker beinahe aus guten vierzig Metern übertölpelt (38.).
Mathis Böhlers (weiß) linkes Füßchen machte den Sieg perfekt (FOTO: Holger Bär)
Halbzeit zwei ließ reichlich Steigerungspotential zu, und dank der Sandersdorfer Gäste bekam die Partie nun auch fußballerische Züge. „Wenn man wie Kamenz da unten raus möchte ist es mir unerklärlich, wie man so lange so defensiv agieren kann“, sollte Uniontrainer Mike Sadlo im Nachgang schlussfolgern. Sein Team zeigte jedenfalls zuerst Risikobereitschaft, und sollte bekanntlich dafür belohnt werden. Das Spiel bekam nun etwas Fahrt. Damit entstanden Räume, mit denen die Gäste aus Sachsen- Anhalt besser umzugehen wussten. Böhlers Tor aber entsprang aus einem Einwurf und einer kompakt stehenden Kamenzer Abwehr (0:1/63.). Warum es kurz darauf nicht 0:2 stand, wusste nur der Kamenzer Querbalken. Sandersdorf setzte einen messerscharfen Konter, an dessen Ende Timo Breitkopf frontal die Querlatte traf (68.). Union bekam nun gegen stellenweise einfallslose Gastgeber eine Handvoll größter Chancen. Mann nutzte sie wiedermal nicht und hielt den Gegner wie zuletzt in Stendal ein weiteres Mal im Spiel. Auch Böhlers zweiter Geniestreich missglückte. Ein neuerlicher Distanzschuss rutschte über den Außenspann und drehte hauchdünn am Pfosten vorbei (79.). Die Ereignisse nahmen nun richtig Fahrt auf, denn Einheit Kamenz wollte im Endspurt alles bis dato Vermisste binnen verbleibender zehn Minuten in die Waagschale werfen. Alexander Schidun übertrieb es dabei in der Zweikampfführung etwas und erntete die Ampelkarte (81.). Mit nun doppelter Sandersdorfer Sturmspitze war es Stephan Eberhard, welcher aus halblinker Position am gut haltenden Einheit- Keeper Ron Wochnik scheiterte (83.). Das Spiel köchelte nun ordentlich, und auch die Zuschauer schienen auf den Plan gerufen. Mit allen Registern wollte man bei den Hausherren die Entscheidungen zu eigenen Gunsten drehen. Hier war es diesmal Union- Schlussmann Nico Becker, der mit einer Glanzparade gegen den zuvor eingewechselten Tschechen Marek Langr die Null auf Gästeseite hielt (85.). Die Endphase inklusive Nachspielzeit wurde dann zum Krimi. Gegen alles nach vorn werfende Gastgeber mussten Böhler (90.) und Eberhard (90.+2) die Fronten im Konter klären. Sie scheiterten sträflich an Torwart Wochnik. Bei zwei abschließenden Kamenzer Eckstößen hieß es seitens der Sandersdorfer „tief durchatmen“. Etwas Glück und ein diesmal allseits wacher Keeper Becker hielten den Auswärtssieg fest.
Union ließ in Überzahl hinten heraus völlig unnötige Brisanz vor dem eigenen Kasten zu. Keeper Nico Becker hatte die Dinge im Griff (FOTO: Holger Bär)
„Den inneren Schweinehund überwinden, mal die paar Meter mehr machen“, faltete Frank Rietschel seine deprimiert im Kreis sitzenden Jungs gleich nach Abpfiff direkt vor der Tribüne zusammen. Der Einheit- Coach hatte recht und beschrieb ein Phänomen, welches auch die Sandersdorfer zur Genüge kennen. Selten reichen dynamische Schlussminuten, um ein bis dahin nicht mit vollstem Engagement geführtes Spiel noch an sich zu reißen. Und im Abstiegskampf wohl rein gar nicht…!
Nun geht es für Union Sandersdorf mit kurzfristig auf 18:30 Uhr vorgezogenem Anstoß bereits am kommenden Freitag im Sachsen- Anhalt- Derby zum FSV Barleben (27. April 2018)